Lerchenspiegel
Auf den ersten Blick wirkt es wie ein dekoratives Detail: ein pilzförmiger Aufbau mit glitzernden Flächen. Doch das Objekt auf dem Holzschnitt aus dem „Hallorum Hallensis“ von 1926 diente einem ganz praktischen Zweck – es war ein Lerchenspiegel.
Der sogenannte Lerchenspiegel war Teil einer besonderen Fangtechnik, die den Halloren einst als Privileg erlaubt war. Als Nebenerwerb fingen sie Lerchenvögel – zunächst als vermeintliche Feldschädlinge verfolgt, später als geschätzte Delikatesse gehandelt.
Die Technik war ausgeklügelt: Versteckt in einer Erdkuhle bewegte der Hallore über einen Faden den Spiegelkörper, der sich in der Sonne drehte und Lichtreflexe aussandte. Die neugierigen Lerchen wurden davon angelockt – und mit Hilfe von Stellnetzen gefangen.
Die Vögel wurden in großer Zahl verkauft, unter anderem auf der Leipziger Messe, aber auch an den preußischen Hof verschickt. Erst mit dem Aufkommen des Naturschutzgedankens gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Lerchenfangen verboten.
Geblieben ist das Gebäck der „Leipziger Lerche“ – und ein Objekt, das heute vom Wandel erzählt: vom Verhältnis zur Natur, vom Umgang mit Tieren, von einem Privileg, das nicht mehr zeitgemäß war.